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zu Politik und Recht

Eugen David

Horizon Europe und Copernicus
Grossbritannien und die Schweiz

Ab 1. Januar 2024 beteiligt sich das Brexit-Land Grossbritannien an den EU-Programmen Horizon Europe und Copernicus.

Die EU hat mit Grossbritannien im Dezember 2020 ein Trade and Cooperation Agreement (TCA) abgeschlossen, das keine Beteiligung am Europäischen Binnenmarkt beinhaltet.

Die Schweiz ist über die Bilateralen Verträge am Europäischen Binnenmarkt beteiligt, hat jedoch keinen Zugang zum EU-Forschungsprogramm Horizon Europe 2021 – 2027 und ist nicht am EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus beteiligt.

Die Schweiz ist schlechter gestellt als das Brexit-Land Grossbritannien.

Aus welchen Gründen??

Die britische Regierung suchte eine pragmatische Verständigung mit der EU-Kommission über die gegenseitigen Beziehungen nach dem Brexit.

Schon im TCA 2020 war die Beteiligung an den EU-Programmen vorgesehen.Eine Verzögerung trat wegen der Nord-Irland-Frage ein.

Die britischen EU-Gegner aus der Tory-Partei forderten für Grossbritannien eine absolute Souveränität in Nord-Irland und gleichzeitig eine Beteiligung Nord-Irlands am europäischen Binnenmarkt. Die nationalistischen Tory-Regierungen unter Boris Johnson und Liz Truss wollten daher das 2020 vereinbarte Nord-Irland-Protokoll nicht umsetzen.

Ende Februar 2023 haben sich die Briten unter dem neuen Premierminister Rishi Sunak mit dem Windsor Agreement von der ideologischen Politik verabschiedet und so das Nordirland/EU-Problem gelöst.

Damit war der Weg frei für eine Beteiligung Grossbritanniens an den EU-Programmen Horizon Europe 2021 – 2027 und Copernicus ab 1. Januar 2024.

Anders läuft es in der Schweiz

Der Bundesrat folgt in der Europapolitik der SVP-Souveränitätsideologie und dreht sich seit sechs Jahren im Kreis. Gewerkschaften und Rechtsnationale diktieren die Europapolitik, um ihre eigenen finanziellen und politischen Interessen durchzusetzen.

Die Gewerkschaften wollen ihre lukrativen staatlichen Kontrollaufträge am Arbeitsmarkt über allgemeinverbindlich erklärte GAV und das Entsendegesetz nicht verlieren. Die Übergabe der staatlichen Kontrolle an Privatorganisationen ist nach EU-Recht rechtsstaatlich problematisch und könnte vor dem EuGH angefochten werden.

Die SVP will ihre durch Fremdenfeindlichkeit errungene Machtstellung im Staat und die zahlreichen damit verbundenen Posten nicht einbüssen. Deshalb lehnt sie die in Europa seit dreissig Jahren geltende Personenfreizügigkeit grundsätzlich ab.

Diesen Gruppeninteressen ordnet die Regierung eine Beteiligung an den europäischen Programmen Horizon Europe und Copernicus unter: lieber keine Schweizer Beteiligung, dafür innenpolitisch keine Konfrontation mit diesen Gruppen.

Eine verfehlte Gewichtung der öffentlichen Interessen

Seit dem Eintritt der Bundesräte Blocher (SVP), Merz (FDP) und Calmy-Rey (SP) vor bald 20 Jahren in die Regierung, betrachtet der Bundesrat die EU als Übel, dem man möglichst ausweichen möchte.

Europäische Integration ist seither keine Zukunftsvision mehr für die Schweiz, schon gar nicht europäische Solidarität in der Sicherheitspolitik.

So hat der Bundesrat den Europäern verboten, in der Schweiz gekaufte Waffen den Ukrainern in ihrem Kampf gegen den Aggressor Putin zur Verfügung zu stellen. Sanktionen gegen Putin werden erst auf Druck der EU und der USA übernommen und nach Möglichkeit abgeschwächt.

Von den in schweizer Briefkastenfirmen versteckten Milliarden russischer Oligarchen weiss der zuständige SVP-BR Parmelin nichts.

Abwehr der Europäer

Abwehr der Europäer, soweit als möglich, ist Kernauftrag der Aussenpolitik.

In der Defensive macht die Regierung nur dort mit, wo es gar nicht anders geht, weil die Schweiz sonst in Europa politisch oder wirtschaftlich isoliert würde. Selbstbeweihräucherung und Nabelschau im Sonderfall sind an der Tagesordnung. Brüssel ist für die SVP/FDP-Koalition das Feindbild.

Dabei implementiert der Bundesrat laufend direkt oder indirekt, ohne Transparenz für die Bevölkerung, europäisches Recht in die Schweizer Rechtsordnung. An der europäischen Rechtsetzung ist die Schweiz, obwohl europäisches Recht hier Geltung erlangt, nicht beteiligt. Der Bundesrat hält das demokratiepolitisch für irrelevant. Schliesslich ist man in Europa mit dem Bilateralismus auf dem Königsweg.

Seit Installation der SVP/FDP-Mehrheitskoalition im Bundesrat im Jahr 2017 haben sich diese Tendenzen verstärkt.

Auf dem Boden nationalistischer Ideologie wachsen aus der SVP/FDP-Koalition Forderungen zur Beziehung mit der EU wie

  • Unterwerfung von EU-Bürgern, die in die Schweiz ziehen, unter eine Sondersteuer
  • Verweigerung des Zuzugs von EU-Rentnern, ausgenommen Oligarchen
  • Ausschluss von EU-Bürgern von der Sozialhilfe, auch wenn sie fünf Jahre hier gearbeitet und Abgaben bezahlt haben
  • Kontrollschikanen gegen Handwerksbetriebe aus den angrenzenden EU-Ländern, um sie vom Schweizer Markt fern zu halten
  • obligatorische Ausschaffung in der Schweiz wohnender EU-Bürger, wenn sie wegen einer Straftat nach Artikel 66a StGB verurteilt worden sind
  • etc.

Die Regierung unternimmt nichts, um der Bevölkerung den Nutzen der Europäischen Integration auch für unser Land klar zu machen. Ohne EU wären Friede, Sicherheit und wirtschaftliche Prosperität auf dem europäischen Kontinent nicht gewährleistet, auch für die Schweiz nicht.

Die vier Freiheiten des EU-Vertrags und der europäische Binnenmarkt mit gemeinsamen Regeln sind zentral für das Wohl der europäischen Bevölkerung.

Objektive Informationen des Integrationsbüros des Bundes über die europäische Integration wurden vor 15 Jahren eingestellt. Der damalige Bundesrat hat das gemeinsam von EDA und EVD getragene Integrationsbüro auf Druck der Rechtsnationalen aufgelöst.

Die Regierung opfert die Zukunftsinteressen der Schweiz minoritären Gruppeninteressen, was verfehlt ist.

28.11.2023

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